Um neun Uhr vormittags sind die Sitzgelegenheiten im
Flur 28 der nuklearmedizinischen Abteilung schon gut besetzt. Auffällig viele junge
Leute, bei deren Anblick einem das Herz besonders schwer wird, angesichts ihrer
blassen, hilfesuchenden Augen, ihrer Ratlosigkeit.
Kurz nach neun werden Zugänge gelegt, rechts und
links. Es bedarf, wie so oft, mehrerer Versuche, bevor eine passende Ader
gefunden ist und das Blut durch die Nadel in den Behälter rinnt.
Soll viel trinken. Bevor in den nächsten sechs bis
sieben Stunden wieder allerlei Szintigrafien und Scans durchgeführt werden.
Habe, wie immer, reichlich Lese- und Schreibstoff eingepackt, vor allem das
gelbe Heft für die Notizen. Und ein paar Bonbons. Zudem ist der Bart komplett
abrasiert, damit es im Gesicht so wenig wie möglich juckt, wenn ich in den
diversen Röhren hin und her geschoben werde, mich dabei unter keinen Umständen
bewegen und folglich auch nicht mal so nebenbei am Kinn oder hinter den Ohren
kratzen darf.
Nächste Blutabnahme in einer Stunde. Übernächste in
zwei Stunden. Und so weiter bis zur vierten. Irgendwann wird ein Kontrastmittel
gespritzt. Das muss sich im ganzen Körper verteilen.
Zwischen den einzelnen Terminen blättere ich in den
alten Notizen im gelben Heft. Dort ist mehrfach von Knochenschmerzen die Rede.
Seit Wochen habe ich nichts mehr dergleichen verspürt.
Als auch ich endlich durch bin, sind alle anderen
Patienten schon gegangen. Der Flur ist leer. Nur in einzelnen
Behandlungszimmern piepsen noch die Geräte. Um 16 Uhr will das Personal
Feierabend machen, wie mir heute früh eine Angestellte verriet.
Versuche, S. telefonisch zu erreichen. Sie kann mich
jetzt abholen. Doch im Bunker gibt es kein Netz, keinen Empfang. Gehe nach
draußen. Auch hier bleibt das – funkelnagelneue – Handy stumm. Das hat gerade
noch gefehlt. Kaufe mir beim fahrenden Händler, der sich strategisch klug genau
vor den Hauptein- und -ausgang der Klinik platziert hat, ein Eis: Schokolade
und Himbeere. Kaum habe ich dreimal daran geleckt, fährt S. vor. Erleichtert,
dass es mir offenbar so gut geht und in den letzten Stunden so gut ergangen
ist, dass ich Lust auf Süßes verspürt habe. Nur kleckern sollte ich nicht, auf
dem Beifahrersitz.
Eis ist doch immer gut. Fuer und gegen alles. Oder? Rolf. Kathmandu. rolf.schmelzer@koeln.de - 00977-9818362346
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