Zwei Tage später, wie gehabt, die monatliche Spritze.
Diesmal ohne zusätzliche Kontrolle der Blutwerte, ohne Gesprächstermin mit der
Onkologin. Einfach nur die Spritze. Der dickflüssige, milchige Stoff, der sehr
sehr langsam in die Hüfte injiziert wird.
Während sie schräg hinter mir steht und ihre tägliche
Arbeit verrichtet, verrät mir die gutgelaunte Asiatin, dass sie in den letzten
Tagen ebenfalls krank war. Ein bisschen zumindest, sagt sie. Erkältung?, frage
ich zurück. Na ja, erwidert sie, eine Art Erkältung. Ich ahne, dass sie nicht
über das sprechen möchte, was genau sie hatte. Vielleicht schummelt sie und
hatte in Wahrheit gar nichts, will aber, dass ich mich besser fühle, wenn ich
erfahre, dass sogar Krankenschwestern und anderes Pflegepersonal manchmal krank
werden.
Dabei fühle ich mich gar nicht schlecht. Und dass ich bei
weitem nicht der einzige Kranke bin und andere viel schlimmer dran sind, weiß
ich spätestens, seit ich in der hämatologisch-onkologischen Praxis in W. ein
und aus gehe.
Nach einer halben Stunde ist alles vorbei. Draußen
scheint die Sonne. Wir haben Hunger. Da S. heute Geburtstag hat, beschließen
wir, nicht sofort an unsere Schreibtische zurückzukehren, sondern eine
Kleinigkeit essen zu gehen. Wir landen im lauschigen Laubengarten des
türkischen Restaurants, das wir schon häufiger nach Arztterminen aufgesucht
haben. Köfte, Salat, Reis, überbackene Aubergine, dazu alkoholfreies Bier im
Schatten.
Wein vertrage ich seit drei Jahren nur noch in Spanien
und auf Reisen. Seltsam. Etwas Psychosomatisches? Wir verstehen es nicht. Auch
Frau Dr. K., der wir von dem sonderbaren Phänomen erzählt haben, kann es sich
nicht erklären. Zum Glück munden alkoholfreie Biere und Sekte inzwischen fast
so gut wie die richtigen. Nur nullprozentigen Rotwein kann man nicht saufen.
Schmeckt wie gekippter Traubensaft. Wie verdünnte Buttermilch, die zu lange in
der Sonne stand.