Donnerstag, 17. November 2016

Eine Chronik (20)

Viel Sport, sagte Dr. K., so viel Sport wie möglich! So bin ich im Kraftraum gelandet. In der „Muckibude“, wie S. das nennt. Offiziell heißt die Einrichtung „Body Factory“, so als könne man sich dort einen Körper nach Maß fabrizieren (lassen).
Doch nach drei Wochen an den Geräten lässt sich bereits sagen, zumindest vermuten: Bei sportlicher Aktivität – Spinning und Stepping, Gewichtheben und Gewichtdrücken, Butterfly und Butterfly reverse ... –  werden Hormone ausgeschüttet, dank derer man sich, sowohl körperlich als auch psychisch, jedenfalls nicht schlechter fühlt, im Gegenteil. Eine willkommene Ergänzung zur monatlichen Spritze.
Und womit man im Gesundheitspark, früher nannte man das Fitnessstudio, nicht noch alles verwöhnt wird: Mineraldrinks in allen erdenklichen Leuchtfarben, still oder sprudelnd, mehr oder weniger süß, sowie Obst, Gebäck ... Und im Anschluss an das ganze Training für Bauch, Beine, Rücken, Schultern, Nacken, Arme – eine herrliche Dusche, ein leckerer Espresso, falls gewünscht.
Hätte nie gedacht, mich jemals in einer solchen Einrichtung wiederzufinden. Und dass das Keuchen und Schwitzen zudem noch Spaß macht. Aber so ist es: Die Krankheit, der Tumor schenkt einem, bei aller Unerfreulichkeit, eben auch neue Erfahrungen, neue Geschichten, die erzählt werden wollen.

Mittwoch, 16. November 2016

Eine Chronik (19)

Ach, diese Schwestern! Wunderbar, bewunderbar. Wie Feen schweben sie durch Praxis und Behandlungszimmer. In schicke, marineblaue Blusen, blütenrein weiße Hosen gekleidet. Rollschränkchen vor sich her schiebend, mit von beiden Unterarmen hängenden Plasmakonserven, mit Patientenakten unter die Achseln geklemmt, immer unter Druck, aber stets auch zu einem Lächeln bereit, mit einem freundlichen Wort auf den Lippen.     
Plötzlich piepsen drei Wecker gleichzeitig. Backt ihr hier Plätzchen, oder was?, fragt eine der bleichsten Kranken, die sonst immer nur reglos an ihrem Tropf hängt und still vor sich hin leidet.
Anfang des Monats also die achte Hormonspritze gegen den Tumor und seine Gesellen, in die rechte Hüfte. Gleichzeitig Grippeimpfung, links in den Hintern. Und auch nochmal Blutabzapfen.
Apropos: Wie waren denn meine Laborwerte beim letzten Mal, vor einem Monat?, will ich wissen. Schwester U. schaut im Computer nach. Leber, Niere, Schilddrüse – alles bestens, verrät sie. Aber ich muss Ihnen heute noch einmal ein paar Tropfen abnehmen, weil Sie in zwei Wochen ja den Termin in der Uniklinik haben.
Genau, sieben Monate später: der nächste Schub durch die Röhre, der nächste PET-CT. Dann wird sich zeigen, was sich wie und wohin entwickelt hat. Richtig freuen tut man sich ja nicht auf dieses Rendezvous mit dem engen Maschinenschlauch. Andererseits ..., ein bisschen mehr Gewissheit, Klarheit ist auch nicht übel.
Zumindest die Blutanalyse von gestern macht Hoffnung. Sämtliche Werte sind vorbildlich, sagte Schwester U., nachdem die Behälter mit den bunten Verschlüssen im Nebenzimmer unter der Lupe waren.