Freitag, 26. Januar 2018

Eine Chronik (67)


Ein guter Tag: Schnee weg, ein Hauch von Frühlingstemperaturen, vor allem die Mail von Dr. K., die mit Dr. H. von der Nuklearmedizin gesprochen hat. Beide halten es für richtig, den weiteren klinischen Verlauf abzuwarten und die sechste Radiopeptidtherapie frühestens im März einzuplanen. Es bleibt also beim Februar-Termin für die nächste Somatuline-Spritze. Laufe mit der Nachricht ins Arbeitszimmer von S., wir umarmen uns, sie versucht, ein Tränchen vor mir zu verbergen, vergeblich. Gleich darauf buchen wir Tickets ins Baskenland, wo bald ein bisschen Sonne zu sehen sein wird, hoffentlich.
Am Nachmittag in die Stadt, ein paar Besorgungen erledigen, eine Kleinigkeit essen, ins Kino. Leider enttäuscht der neue Film von François Ozon uns sehr, abgesehen von dem roten Faden mit den diversen Katzen. Ansonsten viel Durchschnitt und Unwahrscheinliches, nichts Spritziges, dafür lange Durststrecken, viel Langeweile und Bof!
Nicht vergessen: Den kurzen Nepal-Text aus dem „Giraffenbier“ üben, den ich demnächst vorlesen, in ein Mikrofon sprechen soll, im Rahmen eines pädagogischen Projekts, für das er ausgewählt wurde.
Aber wieso fährt der ehemalige Arbeitskollege plötzlich mit einem Lieferwagen an meinem Bett vorbei, mitten in der Nacht? Es sitzen noch andere Leute in dem Auto, von denen ich niemanden kenne. Sie halten kurz an, einer hat eine mehrfarbige Katze auf dem Schoß, und erkundigen sich nach meinem Befinden. Ich sage ihnen, ich sei zu müde, um ihnen das alles im Detail zu erklären, sie möchten doch bitte wiederkommen, wenn ich ausgeschlafen bin. Daraufhin rollt mein ehemaliger Arbeitskollege mit den Augen, bläst entnervt die Backen auf und fährt kopfschüttelnd davon. Endlich kann ich weiterschlafen.

Dienstag, 23. Januar 2018

Eine Chronik (66)


Letzte Woche: erneute DOTATOC-PET/CT-Untersuchung in der Uniklinik. Ablauf wie immer. Zuerst muss eine Einverständniserklärung ausgefüllt und unterschrieben werden, in der ich mich mit der Durchführung einverstanden erkläre, obwohl „nicht garantiert werden kann, dass diese Untersuchung Vorteile in der Diagnostik und späteren Therapie Ihrer Erkrankung bringt“, wie der behandelnde Arzt mir zu verstehen gibt.
Habe ich eine andere Wahl? Wird mir von sonstwo ein Rettungsanker zugeworfen? Wie und womit soll ich den ungebetenen Gast vertreiben? Fasten soll helfen, denn Tumore mögen es angeblich nicht, auf Diät gesetzt zu werden.
Also unterschreibe ich und warte. Auch auf die noch immer nicht zurückgesandten Formulare, ohne die die Therapie nicht fortgesetzt werden kann, außer, ich zahle für alles selbst. Hängepartien, wieder und wieder. Weil irgendjemand in irgendeinem Büro sich viel Zeit lässt. All die Zeit, die ich vielleicht gar nicht mehr habe, doch wen interessiert das, in irgendeinem Büro, für den der Antragsteller kein Gesicht hat und keine Geschichte, nur eine Nummer.
Und nun? Heftiger Schneefall in den beiden letzten Tagen. Doch jetzt scheint die Sonne, erneut beginnt es zu tauen. Morgen geht es wieder einmal zu Dr. K., der Onkologin. Die Einzelheiten der künftigen Behandlung müssen besprochen werden. Noch ein Therapie-Zyklus, also drei bis vier neuerliche Tage im Nuklearbunker? Und wenn ja, wann? Kurzfristig oder erst in ein paar Wochen? Könnte ich vorher nicht noch einmal kurz verreisen? Wir waren schon so lange nicht mehr weg, in Donostia soll es derzeit wenigstens über zehn Grad warm sein, wenn auch mit Regen.
Wie ich mich auf das Abendessen freue! S. bereitet Rinderfilet auf thailändische Art zu, gestern hat sie Waffeln gebacken, extra für mich.       

Sonntag, 21. Januar 2018

Eine Chronik (65)


Die große Schneeschmelze über Nacht. Am Morgen kein einziges Flöckchen mehr da. Nur die übliche Übelkeit nach dem Aufwachen. Die Erschöpfung am oberen Ende der Treppe. Nach dem Frühstück der rote Sessel, ein Glas Wasser sowie Magen- und Schmerztabletten. Zehn Minuten später setzt die Wirkung ein, man kann dem unangenehmen Gefühl förmlich dabei zusehen, wie es sich davonmacht.
Am Rechner sitzen; der Versuch, die Korrekturvorschläge von S. in das Manuskript des neugeschriebenen Romans von vor bald 30 Jahren zu übertragen. Novel revisited. Muss mich dranhalten, die aktualisierte Fassung wird wohl noch ein bisschen Arbeitszeit in Anspruch nehmen. Doch es bereitet große Freude, bei aller Mühe.
Das ist nun auch schon wieder drei Wochen her. Seit dem 9. Januar, seit dem Monatsdepot mit Somatulin, keine selbst verabreichten, subkutanen Sandostatin-Spritzen mehr. Erleichterung. Und besseres Befinden, allgemein. Bis sich am späten Nachmittag die Müdigkeit heranschleicht. Roter Sessel, ich komme! Lese, nicke ein, döse, lese weiter, höre Musik. Messe regelmäßig Blutdruck und Puls. Koche, esse, sehe fern. Schlafe. Und am nächsten Tag Fortsetzung der Arbeit an der Neufassung des Romans von 1989. Lasse mich überraschen.