Wäre es nicht langsam an der Zeit, meinem inneren
Mitbewohner, meinem neuen Gefährten, dem Tumor einen Namen zu geben? Nun,
nachdem wir seit gut einem Jahr miteinander bekannt sind. Nun, ich weiß von
ihm. Ob er auch von mir, das hat er, der Scheißkrebs, mir bislang nicht
verraten, der Feigling.
Eine Frage, auf die man kommt, wenn
man zu viel Esterházy liest, sich zu lange in sein
„Bauchspeicheldrüsentagebuch“ verkriecht, wo der Krebs mal als Fräulein vorgestellt,
mal wie eine Geliebte gehätschelt, dann wieder verflucht wird, wo der Autor es hemmungslos
mit ihr treibt, sie zum Teufel wünscht, sie ihn langweilt, er sie als seine
kleine Sonne, als liebes Licht anspricht, als Süße und Teure, die ihn am
liebsten verzehren, aufessen, auffressen, ihn sich einverleiben, ihn vernichten
würde.
Kleine Biere trinkt man zu Oliven. Doch hier werden
einem weder kleine noch große Biere und auch keine Oliven serviert. Hier kommt
während der Anwesenheit des Patienten ja nicht einmal jemand zum Sauber- oder
sonstigen Machen. Nur gestern sah ich einmal kurz, als die Schiebetür einen
Spalt breit offenstand, eine kleine, ältere Türkin mit Kopftuch und Wischmopp
über den Flur huschen, grußlos. Kurz darauf klopfte ich mein Bettzeug halt
selber auf und zog das Laken glatt.
Auf den Spuren Esterházys ist nun der Moment gekommen,
da ich verraten muss, dass verschiedene Leute mir gegenüber in letzter Zeit
ziemlich emotional geworden sind. Was ich in den meisten Fällen nicht ausstehen
kann. Weshalb ich ja auch diesen Blog verfasse und an die Öffentlichkeit
bringe, damit die Krebsstory nicht wieder und wieder von neuem erzählt werden
muss, sondern ich mich darauf beschränken kann, einfach die Blog-Adresse
durchzugeben und alles Weitere einfach geschehen zu lassen. Sonderfragen können
danach immer noch individuell beantwortet werden, falls Bedarf besteht. Und zur
Abwechslung könnte ich eine Weile barfuß herumlaufen, nun, da der Frühling …
Frühling! Minus fünf Grad nachts, maximal vier Grad am Tag. Ehrlich, ich scheiß
auf diesen Frühling, boah ey, echt Mann, Alter!
17:00 Uhr, neueste Messungen: 126-86-84;
Körpertemperatur: 36,4. Schwester Rita ist sehr zufrieden.
Anschließend esse ich eine meiner mitgebrachten
Mandarinen. Oder zwei. Und ein paar Manner-Schnitten, Original Neapolitaner, in
Erinnerung an Herrn Carl Manner aus Wien, den ehemaligen Firmenvorstand und
Aufsichtsratsvorsitzenden des Unternehmens, der, wie heute Morgen in der
Zeitung zu lesen war, kürzlich mit 87 Jahren verstorben ist, nachdem er immer
noch täglich an seinem Schreibtisch gesessen hatte, bis zum letzten Atemzug.
Die Manner-Waffeln kenne ich noch aus meiner
Universitätszeit in Salzburg. Sie waren mir gewissermaßen ein studentisches
Grundnahrungsmittel. Aber seither hat sich ihr Geschmack, so kommt es mir vor,
wesentlich verändert, ja, verschlechtert. Früher schmeckten sie besonders,
unvergleichlich, heute haben sie sich dem Geschmack vieler vergleichbarer
Knuspereien angepasst. Nur die rosa Verpackung ist geblieben und löst nostalgische
Gefühle aus.
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