Dienstag, 14. März 2017

Eine Chronik (34)


„Unser Sohn ist drei Jahre alt. Wir gingen mit ihm in ein Kunstmuseum, wo wir durch die Säle spazierten und auf den Bildern der großen Meister Hunde, Katzen, Vögel und Pferde suchten. Auf einem Bild war die schwangere Jungfrau Maria dargestellt. Unser Sohn fragte, warum sie einen so großen Bauch habe. Ich sagte, sie habe ein kleines Kind darin, das bald geboren werde. Wir setzten unseren Rundgang fort. Ein paar Säle weiter lief unser Sohn wieder zurück – um nachzusehen, ob das Kind schon geboren war.“
Diese Passage hätte ich gerne selber geschrieben. Doch ich habe sie nur gelesen. In einem Zeitungsbeitrag des russischen, seit 1995 in der Schweiz lebenden Schriftstellers Michail Schischkin über die Freiheit des Wortes und der Menschen. Überdies haben wir gar keine Kinder, über die ich schreiben könnte. Und auch keinerlei Erfahrung mit sowjetischen Panzern, dem KGB und Straflagern, in denen Männer, die vor dem Kreml Mahnwachen abhielten, um gegen den Ukraine-Krieg zu protestieren, systematisch gefoltert werden.

Stattdessen – stattdessen? – habe ich seit Anfang dieses Jahres wieder ein paar Gedichte geschrieben. Über chinesischen Kohl beispielsweise, über Souvenirs aus Marokko und über das Eden Palast in Aachen. Ein anderes trägt den Titel „Winterliches Gedicht“ und geht so: Dieses Gedicht / braucht mich nicht. / Ihm genügen / ein paar Schaufeln Schnee, / eine prächtige Schicht Eis, / ein dick vermummter Mann, / der den festen Boden / unter seinen Stiefeln verliert. / Einen Wimpernschlag lang / liegt er waagerecht in der Luft / und spuckt am Ende, hart aufgekommen, / sein Herz aus. // Ich hingegen lebe noch, / wenn auch fröstelnd und / mit gefrorenem Bart. // Hier und jetzt aber / kann gut und gern auf mich / verzichtet werden.







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