In unserem Wohnzimmer, zwischen Tür und Kamin, steht ein
Klavier. Vor dem Klavier steht ein höhenverstellbarer Klavierhocker, das heißt,
die rechteckige Version eines Hockers, die auch noch als Pianobank bezeichnet wird,
mit samtig sich anfühlendem Sitzpolster. Auf dem Klavier liegt ein Stapel Notenhefte,
von Bach über Chopin bis Mozart und zurück. Neben dem Stoß Hefte steht ein
Metronom, eines dieser Geräte, die durch akustische Impulse in gleichmäßigen
Zeitintervallen ein konstantes Tempo vorgeben. An der Wand hinter dem Klavier
hängt ein Bild von Lantz. Unser Freund hat noch nie eine Wüste betreten, aber
eine Zeitlang malte er die schönsten Wüstenbilder mit den seltensten Wüstentieren,
die man sich vorstellen kann. Hinter der Wand mit dem Wüstenbild kommt die
Fassade unseres Hauses, die wegen ihrer exponierten Lage (Wind! Regen! Graupel!
Schnee! Sonne! Hitze!) mit Schieferplatten verkleidet ist und die, fragte man
sie, ganz andere Geschichten zu erzählen wüsste.
Ich kann mich, ehrlich gesagt, nicht erinnern, wo das
Klavier herkommt. Fest steht nur, dass ich es nicht in dieses Haus gebracht habe.
Dafür sind meine Arme zu schwach und meine zehn Fingerchen viel zu ungeschickt. Weder das Instrument noch Schemel oder Metronom waren demnach
jemals für mich gedacht, und sie sind es bis heute nicht.
Stattdessen habe ich S. im Verdacht, dass sie das Klavier
aus ihrer Jugend herüber ins Erwachsenendasein gerettet, aber ihre Ambitionen
in Richtung Klavierspielerinnenkarriere längst aufgegeben hat. Ab und zu nimmt
sie wohl noch auf dem Hocker Platz und klappt den Deckel hoch, um die 88 Tasten
freizulegen. Doch eher sind lange Spielpausen die Regel. Zumal S. derzeit
Probleme mit dem kleinen Finger der linken Hand hat. Er fühlt sich meistens
taub an, manchmal aber auch schon beinahe wie abgestorben. Dabei hat ihr
Klavierspiel ihr schon so manches Kompliment eingebracht, u. a. seitens unseres
Malerfreundes Lantz, und immer wieder kommt es vor, dass ein Gast, so
unmusikalisch er auch sein mag („Oh, ein Klavier! Ein Klavier!“), sie bittet,
uns doch mal etwas vorzuspielen, der versammelten Gesellschaft eine Kostprobe
ihres Könnens zu liefern oder, wie derbere Gemüter mitunter fordern, einmal
kräftig in die Tasten zu hauen. Meistens kommt S. diesen Bitten und Wünschen
nicht nach. Recht hat sie. Auch wenn sie, was durchaus vorkommt, mit einem
gewissen Dünkel auf diejenigen herabschaut, die, wie ich, Makkaroni abkriegten,
als sie beim Herrgott um Finger anstanden.
Für das Nudelbild bedanke ich mich bei der Tintenfisch-Kolumne in der
Neuen Zürcher Zeitung. Es wird auch unserem Freund Lantz gefallen, da bin ich
mir ganz sicher.
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