Samstag, 21. Oktober 2017

Eine Chronik (56)


Diese Tage, an denen sich der ungebetene Gast in eine schattige Ecke des Wohnzimmers verkriecht und ganz ruhig dort hocken bleibt. Diese Tage, an denen das Tier die Schnauze hält und sich selbstmitleidig die Pfoten leckt. Diese Tage, an denen der ständige Begleiter sich kurz verneigt und sich anschließend diskret verzieht, für eine Weile wenigstens. Diese Tage, an denen am frühen Morgen niemand die Zimmertür aufreißt und ekelhaft gut gelaunt in den Raum schreit, dass nun Zeit fürs Temperaturmessen sei, für den Blutdruck, die Herzfrequenz, das Bauchdeckenabtasten, das Kniescheibenbehämmern, die Kopfhautmassage, die Gelenkvibration, das Fußsohlenkitzeln … – nein, ich übertreibe. Soweit würden Krankenschwestern natürlich nie gehen. Und überhaupt, an diesen Tagen sind Behandlungszimmer, Messgeräte und Tropfständer mir so fremd wie die gruseligen Kreaturen an den tiefsten Stellen des Marianengrabens.
Diese Tage also, an denen es Wichtigeres zu tun gibt, als sich die Handlungen und Gedanken vom unerwünschten Begleiter vorschreiben zu lassen. Zumal bald, an diesem Montag, ein nicht ganz bedeutungsloses Rendezvous in meinem Kalender steht: 19:30, CNL in Mersch, Batty Weber-Preisüberreichung. Oder findet die Feier erst am kommenden Mittwoch statt? Der Kulturkolumnistin aus dem Luxemburger Wort ist die Sache mit dem falschen Datum auf den Einladungskarten heute jedenfalls schon eine humorige Glosse und einen gewagten Hollywood-Vergleich wert. Aber wer will in Weinstein-Zeiten schon mit der US-amerikanischen Filmindustrie in Verbindung gebracht werden?
Lese stattdessen ein Interview mit Edna O’Brien, in dem die irische Schriftstellerin mit dem trefflichen Satz „Die Geschichte eines Lebens ist im Körper ebenso enthalten wie im Gehirn“ zitiert wird. Und so werden auch Tage wie diese wieder vergehen und neue darauf warten, gelebt zu werden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen