Kurz vor Weihnachten. Fünfter Therapiezyklus im
Nuklearbunker, diesmal von dienstags bis freitags, also einen Tag länger als
bisher. Bevor der erste Blutstropfen fließt, informiere ich die zuständigen
Personen über die Vorfälle der letzten vier Wochen. Oberarzt Dr. H. weiß sofort
eine Erklärung – und bestätigt die Vermutungen von Dr. W. Infolge des während
der Therapie entstehenden „Untergangs“ von Tumorzellen ist es zu einer
mehrtägigen erhöhten Ausschüttung von in Tumorzellen gebildeten Hormonen gekommen.
Diese geht mit Kreislauf- und Atembeschwerden, Übelkeit, Kopfschmerzen,
neurologischen Symptomen sowie der sogenannten Flush-Symptomatik einher … – Genau
so steht es in den Patienteninformationen unter dem Zwischentitel „Risiken und
mögliche Nebenwirkungen“, die ich nun bereits zum fünften Mal ausgehändigt
bekomme, aber bisher immer nur überflogen habe. Nach dem Motto: „Mir wird das
alles schon nicht passieren!“ Und überhaupt: Was kann man sich Besseres
wünschen als den „Untergang von Tumorzellen“, als die Stable Disease mit
teilweise rückläufigen bzw. einzelnen sogar nicht mehr nachweisbaren Tracermehranreicherungen
sowie ohne Nachweis einer neu aufgetretenen malignomtypischen
Nuklidanreicherung, auf die in der ärztlichen Beurteilung nach dem jüngsten
PET-CT hingewiesen wurde?
Das leidigste Problem in diesen Tagen: meine Venen.
Entweder sind sie geradewegs unsicht- und unfühlbar oder so fein, dass sich kein
Katheter hineinschieben lässt, oder so gewunden, dass jede Nadel sofort an
hinderliche Wände stößt. Ist es an der Zeit, mir einen Port implantieren zu
lassen, im Hinblick auf künftige Blutentnahmen und Infusionen? Überwiegen die
Entzündungsrisiken oder die Vorteile für Patient und Klinikpersonal?
Vor wenigen Tagen ist Lisa Berg, die seit 2015 an
Leukämie erkrankte Cellistin, verstorben. Drei Jahre. Da beginnt man auch
selbst zu rechnen, falls man es nicht sowieso schon tat, nach Erhalt der
eigenen Diagnose, und es immer noch tut, fast täglich, wenn nicht noch häufiger.
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