Mir schwillt heute noch so der Kragen, wenn ich nur diesen
Namen höre! Bo-nin-segna!, sagt Herr K., hält die Hand vor seinen Hals und macht
eine Geste, als wuchere ihm dort eine riesige Geschwulst.
Kurz nach acht, noch während ich beim Frühstück sitze,
werde ich zur Messung der Strahlendosis in den Dosimeter bestellt. Herr K. geht
voran, durch die hell erleuchteten Flure des Labyrinths. Ich frage ihn, ob er
mir am Kiosk im Eingangsbereich der Klinik eine Tageszeitung besorgen kann. Ich
darf ja nicht raus aus dem Bunker, wegen der Radioaktivität in meinem Körper,
die hier von allen und immer nur „Aktivität“ genannt wird, vermutlich, weil das
neutraler klingt, vielleicht auch positiver. So wie niemand hier auf der
Station, zumindest nicht in Präsenz des Patienten, Wörter wie Tumor, Krebs,
Krankheit, Tod in den Mund nimmt.
Nach der Dosimetrie gibt es einstweilen nichts mehr zu
tun. Ich kann lesen, notieren, überlegen, so lange ich will. Genauer: Bis das
Mittagessen serviert wird, lange bevor es Mittag ist. Leichte Vollkost: in
Stückchen geschnittenes Hähnchenbrustfilet, dazu Basmati- und Wildreis sowie
Erbsen. Als Dessert Sommerfrüchtejoghurt und zwei Kekse.
Nach der Mittagspause steht ein SPECT auf dem Programm.
Ich lasse mir den Begriff erklären (Einzelphotonen-Emissionscomputertomografie: SPECT von englisch single photon
emission computed tomography) und verstehen trotzdem nicht wirklich, was diesmal
passieren wird.
Schwester G. schiebt mich, obwohl ich natürlich genauso
gut laufen könnte, im Rollstühlchen durch lange Korridore, um viele Ecken,
durch gläserne Türen, auf denen geschrieben steht: „Durchgang verboten“, an
Wartenden vorbei, die mich nur aus den Augenwinkeln anzuschauen wagen – wie ich
auch sie.
Bis auf die Unterhose ausziehen, hinlegen, Arme fest
an den Oberkörper pressen, nicht bewegen, auch nicht die Zehen. Zum Glück
kreist die Gammakamera – so heißt sie, das weiß ich inzwischen – um mich und
ich nicht um sie. Die Klimaanlage verströmt kühle Luft. Wenigstens hat man mir
eine dünne Wolldecke auf die nackten Beine gelegt. Zunächst juckt es an der
Nase, später auch noch auf der Stirn. Ich kann mich nicht wehren, nur
versuchen, das Jucken durch Konzentration und Willen zu bekämpfen. Oder an
Schwester G. zu denken, die versprochen hat, mir nach dem SPECT etwas Süßes
aufs Zimmer zu bringen.
Eine Stunde später sitze ich vor einer Tasse Kakao und
zwei Scheiben Zwieback mit Aprikosenkonfitüre. Vor wie vielen Jahrzehnten habe
ich zuletzt heiße Schokolade getrunken, Zwiebackkrümel an den Lippen kleben
gehabt?
Gleichzeitig lese ich bei Falkner von dem Mann,
„dessen Finger nach Vivians Möse dufteten“. Ein hübscher Kontrast. Aber habe
ich den Namen Vivian nachträglich nicht selbst eingesetzt, persönlichen Erinnerungen
folgend?
Abendessen kommt um halb sieben: das Gleiche wie
gestern. Meine Schuld! Hätte ja auch etwas anderes auf dem Bestellformular
ankreuzen können.
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