Dienstag, 11. Oktober 2016

Eine Chronik (17)

Siebte Spritze. Im Therapiezimmer wimmelt es. Junge und Alte, Männer und Frauen. Manch Blasser mit dunklen Augenringen, ab und zu eine Rotwangige, die zufrieden lächelt. Einige strotzen sogar vor lauter Daseinsfreude. Ansonsten sowohl schick als auch sportlich bis salopp Gekleidete. Vornehme Damen in heller Bluse neben tätowierten Typen im Muskelshirt. Solche mit Schläuchen in der Nase und rollenden Sauerstoffflaschen vor den Füßen; solche mit Tüchern um den kahlen Kopf und Kompressionsstrümpfen an den Beinen.
Leben!
Inzwischen weiß ich: Je nach Tag und Uhrzeit herrscht mal mehr, mal weniger Betrieb in der onkologischen Praxis. Am hektischsten geht es vormittags zu, am entspanntesten am späteren Nachmittag. Aber nicht immer hat man die Wahl.
Diesmal zum Beispiel. Nach der Spritze steht eine längere Autofahrt ins Ausland an. Und vor der Spritze eine Blutentnahme. Von der ich erst erfahre, als die junge Arzthelferin mit ihrem Wägelchen vorfährt und den Abbinderiemen um meinen Oberarm festzurrt. Ach so!, entfährt es mir. Sie meint nur, alle paar Monate sei es nötig, die Blutwerte zu kontrollieren. Die Frau Doktor wolle das so. Na gut, ich halte still. Zumal die junge Frau ihr Handwerk versteht.
Achtung, jetzt wird’s kalt!, lässt sie mich wissen, bevor sie eine Flüssigkeit in die Ellenbeuge sprayt: Und nun piekst es.
In der Tat, ein paar Mal mit der Zeigefingerkuppe klopfen, dann piekst es. Sofort läuft der rote Saft durch die Kanüle ins Plastikröhrchen. Respekt, Vene getroffen, gleich beim ersten Versuch.
Das klappt nicht immer. Ihre Adern verstecken sich aber gut, unkte einmal eine ärztliche Mitarbeiterin, die es nach dem dritten vergeblichen Versuch dann auch aufgab, zunächst ihre Kollegin hinzu zog und am Ende den Chef höchstpersönlich ran ließ.
Diesmal also funktioniert es gleich beim ersten Mal. Kein einziger Schweißtropfen zeigt sich, weder bei der Dame noch bei mir. Also kann ich getrost weiter meine Spritze mit den Fingern aufwärmen. 5, 20, 25 Minuten lang. Erst dann wird eines der Behandlungszimmer frei und die Blonde, die mir schon mehrfach in die Hüfte gestochen hat, kann endlich zu Werk gehen. Erneutes Kühlspray, kurz abwischen, einmal tief Luft holen, rein in den Speck. Langsam drücken, damit das Serum sich so langsam, so wirksam wie möglich im Körper verteilen kann.
Sie wissen ja: Nicht kratzen, nicht reiben, nicht rumdrücken!
Klar, kenne mich inzwischen doch damit aus. Auch wenn’s manchmal verführerisch juckt. Finger weg! Hemd in die Hose. Nächster Termin in vier Wochen. Am liebsten spät nachmittags. Danke und tschüss.          

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