Zwei Tage zuvor gab es die sechste Spritze. Komplikationslos wie immer. Und auch ein paar finanzielle Dinge in Zusammenhang mit der kostspieligen Therapie scheinen endlich auf dem richtigen Weg zu sein.
Eigentlich müsste ich zuversichtlich sein. Das werde ich dann auch, allmählich. Nur noch wenige Kilometer bis Donostia. Der Regen lässt nach. Vom Busbahnhof bis nach Gros in die Wohnung sind es knapp 20 Minuten zu Fuß. Der Promenadenweg am Urumea-Fluss ist bereits völlig getrocknet; die ersten Blumen in den elegant geschwungenen Kübeln auf dem Eisengeländer sind verdorrt. Hinter der Insel Santa Clara geht gerade die Sonne unter, wortwörtlich oder buchstäblich – wie sagt man? Unaufhaltsam versinkt sie im Meer.
Einen Tag zuvor war noch die Tagung zum Thema „Literatur und Gesundheit“ gewesen. Eigentlich hatte der Moderator vorgesehen, mich als Verfasser des Buches „Der Suppenfisch“ und nicht als Krebspatienten vorzustellen und mich in erster Linie zu dem schmalen Roman über das Leben und Sterben meines Vaters zu befragen. Allenfalls am Rande oder ganz zum Schluss der Veranstaltung könnte man auch auf die Krebsdiagnose zu sprechen kommen. Doch was erwähnt er gleich in seinem allerersten Satz? Meinen Tumor-Blog. Zum Glück reitet er in der Folge nicht ständig darauf herum, ich hätte fürchterliche Rückenschmerzen bekommen, selbst im Sitzen.
Am nächsten Vormittag: Wellen, Brandung, Sonne, Strand, Sand. Gut, dass wir uns unlängst einen Strandstuhl geleistet haben, einen ganz niedrigen, vielfach verstellbar, in dem man bequem liegen, aber vor allem vernünftig sitzen und lesen kann. Zeitung sogar, wenn der Wind nicht zu wild über Zurriola fegt.
In der im Fluggepäck mitgebrachten Süddeutschen steht ein Interview mit Karl Ove Knausgård, in dem er von vier neuen Büchern spricht, die er soeben beendet hat. Ihr Inhalt, so sagt er, fange dort neu an, wo die klassische Erzählung endet. Kurze Texte über den Himmel, eine Toilette, Babys, Kotze; Reflexionen über die Liebe, Autos, das Dazwischen, Orte und Momente, die man nur deshalb nicht schätzt, weil man sie übersieht.
So kommt man auf Ideen.
Wie wär’s mit kleinen Abhandlungen über Küchenschränke und Wanderschuhe? Mit beiläufigen Geschichten über Teigrollen, Brotmesser oder – was liegt näher im Moment? – Badehosen, Sonnenschirme, Bikinis und Strandstühle? Als „Bagatellen“ könnte man diese Textchen bezeichnen. Als Kleinigkeiten vielleicht, Liebhabereien.
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