Freitag, 29. Dezember 2017

Eine Chronik (63)


Kurz vor Weihnachten. Fünfter Therapiezyklus im Nuklearbunker, diesmal von dienstags bis freitags, also einen Tag länger als bisher. Bevor der erste Blutstropfen fließt, informiere ich die zuständigen Personen über die Vorfälle der letzten vier Wochen. Oberarzt Dr. H. weiß sofort eine Erklärung – und bestätigt die Vermutungen von Dr. W. Infolge des während der Therapie entstehenden „Untergangs“ von Tumorzellen ist es zu einer mehrtägigen erhöhten Ausschüttung von in Tumorzellen gebildeten Hormonen gekommen. Diese geht mit Kreislauf- und Atembeschwerden, Übelkeit, Kopfschmerzen, neurologischen Symptomen sowie der sogenannten Flush-Symptomatik einher … – Genau so steht es in den Patienteninformationen unter dem Zwischentitel „Risiken und mögliche Nebenwirkungen“, die ich nun bereits zum fünften Mal ausgehändigt bekomme, aber bisher immer nur überflogen habe. Nach dem Motto: „Mir wird das alles schon nicht passieren!“ Und überhaupt: Was kann man sich Besseres wünschen als den „Untergang von Tumorzellen“, als die Stable Disease mit teilweise rückläufigen bzw. einzelnen sogar nicht mehr nachweisbaren Tracermehranreicherungen sowie ohne Nachweis einer neu aufgetretenen malignomtypischen Nuklidanreicherung, auf die in der ärztlichen Beurteilung nach dem jüngsten PET-CT hingewiesen wurde?
Das leidigste Problem in diesen Tagen: meine Venen. Entweder sind sie geradewegs unsicht- und unfühlbar oder so fein, dass sich kein Katheter hineinschieben lässt, oder so gewunden, dass jede Nadel sofort an hinderliche Wände stößt. Ist es an der Zeit, mir einen Port implantieren zu lassen, im Hinblick auf künftige Blutentnahmen und Infusionen? Überwiegen die Entzündungsrisiken oder die Vorteile für Patient und Klinikpersonal?
Vor wenigen Tagen ist Lisa Berg, die seit 2015 an Leukämie erkrankte Cellistin, verstorben. Drei Jahre. Da beginnt man auch selbst zu rechnen, falls man es nicht sowieso schon tat, nach Erhalt der eigenen Diagnose, und es immer noch tut, fast täglich, wenn nicht noch häufiger.      

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