Mittwoch, 2. Mai 2018

Eine Chronik (72)


Stable disease: das Zauberwort. Kein Rück- und kein Fortschritt. Stabil: Mehr darf man nicht erwarten. Seit der Bronchoskopie Ende März wird mir die monatliche Somatuline-Spritze gesetzt (wie auch morgen wieder), die sechste Radiopeptidtherapie ist bis auf weiteres verschoben. Sonst nichts. Ist auch gar nicht nötig, finden nicht nur die Ärzte.
Seit Wochen keinerlei Beschwerden. Und auch gar keine Zeit dazu. Weil viel zu schreiben, zu korrigieren, zu lesen ist, wie immer eigentlich. Aber nun auch richtig Lust dazu. Die Roman-Neufassung, fast dreißig Jahre später. Die Sammlung von Kürzestgeschichten, die jeden Tag um vier bis fünf Einträge wächst: der nette Herr Fleischhauer, die völlig unverdächtige Frau Dornseiffer (mit zwei F, bitte), der kontrollierte Herr Hertel, der unbeholfene Herr Struff, die attraktive Frau Brimmeyer … Nicht zu vergessen die Verlagsarbeit: die schon vorliegende Neuerscheinung, die kurz bevorstehende Neuerscheinung. Auch Garten, Rasen, Bäume, Hecken und Sträucher wollen versorgt werden. Und für demnächst weitere Ausfahrten und Ausflüge in Planung. Et j’en passe.
Da bleibt weder Zeit noch Kraft für Kummer und Trübsal. Gut so. Ganze Tage vergehen ohne einen Gedanken ans nicht ganz normale Innenleben, das auch inspiriert, ermuntert und ermutigt. Alle anderen Gedanken kommen mir hell, klar und präzise vor, wie selten zuvor. Wie meine alte Stimme, die M. dieser Tage im Radio hörte, eine 35 Jahre alte Stimme, die M. zwar vertraut vorkam, wie sie sagte, aber gleichzeitig wie aus einer anderen Welt.