Dienstag, 19. Juli 2016

Eine Chronik (12)

Lecker Kekse! Liegen auf einem Teller an der Rezeption. Kekse, mit heller und dunkler Schokoglasur, aparten Verzierungen aus der Spritztüte. Gleich daneben, an einer Pinnwand und ebenfalls auf der Empfangstheke: Plakate über psychoonkologische Betreuung und Trauerbegleitung. Später, im Wartesaal, liegen noch mehr Informationen über Hilfestellung beim Thema Haarausfall und Prospekte zur Begleitung von Hospizgästen (nun ja, „Gästen“) und Angehörigen aus.
Lasse die Finger davon, sowohl von den Keksen als auch von den Faltblättern und Broschüren. Ohnehin ruft Frau Dr. K. bald zur Besprechung: Wie geht’s? Wie vertragen Sie Ihre Medikamente? Ist bereits die nächste Reise geplant?
Dann Ultraschall von Leber, Nieren und Milz. Der weiße Kreis im dunklen Ring ist immer noch da. Scheint allerdings ein paar Millimeter kleiner geworden zu sein. Also so weit alles stabil. Zumindest keine neuen Metastasen. Aber nach drei, vier Monaten kann man von dieser sanften Therapie auch keine Wunder erwarten, sagt die Ärztin.
Wer tut das? Wunder erwarten. Man darf schon froh sein, wenn’s nicht schlimmer wird. Wenn der ungebetene Gast sich nicht auf seine unflätige Weise weiter ausbreitet und immer mehr Platz in Anspruch nimmt, im Körper und im Kopf, den Gedanken und Gefühlen.
Dafür macht der Husten in den letzten Tagen, der Schleim auf der Brust, ein bisschen Sorgen. Man achtet ja auf Winzigkeiten. Auch wenn’s nur eine einfache Erkältung ist.
Ob der Auswurf von weißer oder von anderer Farbe sei?, will Dr. K. wissen. Muss ich in Zukunft wohl genauer hinschauen. Aber gehustet hab ich auch bereits vor der Diagnose. Vielleicht war der unverschämte Gast damals schon da, nur wusste das niemand. Hielt sich noch zurück, wollte nicht weiter auffallen, keinen Verdacht erwecken. Bis der Tag kam, an dem er sich zu erkennen gab.
Zum Schluss die vierte Spritze. Das übliche Ritual. Die Assistentin mit den Einweghandschuhen, die meinen Hüftspeck abklopft, will wissen, ob ich mir die Fußball-EM angeschaut habe, mit dem Endergebnis zufrieden bin, mit den portugiesischen Europameistern leben kann. Weiterleben? Meinen kurzen Moment des Nachdenkens nutzt sie, um mir die fette Nadel ins Fleisch zu stoßen.
Nach dem Arztbesuch geht’s in den türkischen Supermarkt. Uns ist der rote Biber ausgegangen. Auch ist kein Sumach, kein Köfte-Gewürz und kein Ras El Hanout mehr da. Toll, tiefgrüne Jalapeños sind gerade im Angebot.
In nächster Zeit werden uns einige Freunde besuchen. Es wird gekocht werden. S. wird Apfelkuchen backen. Köstlich! Und weiche, süße Waffeln. Keine Kekse.