Mittwoch, 16. November 2016

Eine Chronik (19)

Ach, diese Schwestern! Wunderbar, bewunderbar. Wie Feen schweben sie durch Praxis und Behandlungszimmer. In schicke, marineblaue Blusen, blütenrein weiße Hosen gekleidet. Rollschränkchen vor sich her schiebend, mit von beiden Unterarmen hängenden Plasmakonserven, mit Patientenakten unter die Achseln geklemmt, immer unter Druck, aber stets auch zu einem Lächeln bereit, mit einem freundlichen Wort auf den Lippen.     
Plötzlich piepsen drei Wecker gleichzeitig. Backt ihr hier Plätzchen, oder was?, fragt eine der bleichsten Kranken, die sonst immer nur reglos an ihrem Tropf hängt und still vor sich hin leidet.
Anfang des Monats also die achte Hormonspritze gegen den Tumor und seine Gesellen, in die rechte Hüfte. Gleichzeitig Grippeimpfung, links in den Hintern. Und auch nochmal Blutabzapfen.
Apropos: Wie waren denn meine Laborwerte beim letzten Mal, vor einem Monat?, will ich wissen. Schwester U. schaut im Computer nach. Leber, Niere, Schilddrüse – alles bestens, verrät sie. Aber ich muss Ihnen heute noch einmal ein paar Tropfen abnehmen, weil Sie in zwei Wochen ja den Termin in der Uniklinik haben.
Genau, sieben Monate später: der nächste Schub durch die Röhre, der nächste PET-CT. Dann wird sich zeigen, was sich wie und wohin entwickelt hat. Richtig freuen tut man sich ja nicht auf dieses Rendezvous mit dem engen Maschinenschlauch. Andererseits ..., ein bisschen mehr Gewissheit, Klarheit ist auch nicht übel.
Zumindest die Blutanalyse von gestern macht Hoffnung. Sämtliche Werte sind vorbildlich, sagte Schwester U., nachdem die Behälter mit den bunten Verschlüssen im Nebenzimmer unter der Lupe waren.

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