Montag, 6. März 2017

Eine Chronik (30)


Carlo schläft viel. Das sei seiner Schilddrüsenoperation geschuldet, behauptet er. Das Organ wurde ihm komplett entfernt. Er verspürt heftige Halsschmerzen. Dagegen nimmt er Tabletten, die ihn schwächen. Daher die Müdigkeit.
Kaum ist Carlo eingeschlafen, beginnt er zu schnarchen. Auch tagsüber. Zum Glück habe ich meine wächsernen Ohrstöpsel dabei. Ohne ein Paar Ohropax („Luxus für die Ohren. Das Original seit 1907“) gehe ich so gut wie nie aus dem Haus. Oft genug findet sich eine Gelegenheit, sich die rosafarbenen, angenehm sanften Pfropfen, die für Ruhe und Wohlbefinden sorgen und unbedingt zu empfehlen sind, in den Kopf zu friemeln.
Wenn Carlo nicht schläft und seine Halsschmerzen ein wenig nachgelassen haben, blättert er in seinen mitgebrachten Zeitschriften („Traktor Classic“) und erzählt mir von seinem Hobby, dem Sammeln von alten Traktoren, das er Oldtimer-Trecker-Liebhaberei nennt. Jedes Wochenende trifft er sich mit seinen Kollegen. Im Winter wird – wie Carlo es formuliert – geschraubt, dass die Funken fliegen. Im restlichen Jahr stehen, sofern das Wetter es erlaubt, regelmäßige Spritztouren an. Leider, bedauert Carlo, kommen er und seine Kollegen bei ihren Ausfahrten nie weit, da ihre betagten Fahrzeuge selten schneller als mit 35 km/h über die Landstraßen tuckern.
Dank meines Zimmernachbarn tun sich mir ganz neue Welten auf. Von Schraubertreffen mit Reparatur- und Restaurationsschulung hatte ich zuvor noch nie etwas gehört. Auch Zahnräder, Wellen, Bolzen, Ventile, Lager und Getriebe waren für mich bislang eher abstrakte Begriffe gewesen. Und dass Unimogfahrer in Traktorkreisen als schwarze Schafe gelten, hatte ich zuvor nicht wirklich gewusst.  
Aber Carlo pflegt noch ein weiteres Hobby: Tierbeobachtung. Zu diesem Zweck hat er bereits halb Afrika bereist. Er schwärmt mir beispielsweise von der Etosha-Pfanne im Norden Namibias vor, von Zebras, Gnus, Giraffen und von den Antilopen, deren Anmut man tagsüber bewundert und deren zartesten Teile man abends auf der Hotelterrasse brutzelnd auf dem Grill vor sich liegen hat.
Endlich kann ich mitreden. Im Etosha-Nationalpark bin ich auch schon einmal unterwegs und von der dortigen Tierwelt total begeistert gewesen, inklusive leckere Fleischmahlzeiten am Abend.
Etosha bedeutet in der Sprache des Ovambo-Stammes übrigens „großer, weißer Ort“.          

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